Mit der Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) am 5. Januar 2023 erleben wir einen der bedeutendsten Meilensteine in der externen Berichterstattung. Grund genug, einen Blick hinter die Kulissen dieser Richtlinie zu werfen. In dieser Beitragsreihe beleuchten wir die Grundlagen der CSRD und deren Auswirkungen auf mittelständische Familienunternehmen.
Im vierten Teil unserer Beitragsreihe befassen wir uns mit den Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, den European Sustainability Reporting Standards (ESRS):
Die CSRD setzt den rechtlichen Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung fest, ohne konkrete Angaben zum Inhalt zu machen. Die genauen Angabepflichten und Datenpunkte werden in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definiert. Die Entwicklung dieser Standards liegt in der Verantwortung der EU-Kommission, die sie gemäß CSRD als delegierte Rechtsakte zu erlassen hat. Die Standards haben dem inhaltlichen Rahmen der CSRD zu entsprechen und sind unter der Berücksichtigung der fachlichen Stellungnahme der Europäischen Beratungsgruppe für Rechnungslegung (EFRAG) zu erstellen.
Die ESRS bilden keine einzelne Norm, sondern sind vielmehr eine Sammlung mehrerer Standards, die in verschiedenen Sets geordnet und zeitlich gestaffelt erstellt und veröffentlicht werden. Insgesamt werden vier dieser Standards-Sets (zusätzlich zu ergänzenden Informationen) erwartet:
Das erste Set (sogenanntes „ESRS Set 1“) umfasst sektoragnostische Standards, die unabhängig von einem bestimmten Unternehmenssektor gelten und von allen gemäß CSRD berichtspflichtigen Unternehmen anzuwenden sind. Dieses Set besteht aus insgesamt zwölf Einzelstandards. Die finalen Entwürfe dieser Standards wurden im November 2022 von der EFRAG präsentiert und nach einigen Anpassungen am 31. Juli 2023 von der EU-Kommission verabschiedet. Es ist das erste und bisher einzige Set, das zum aktuellen Zeitpunkt (Dezember 2023) veröffentlicht wurde.
Das zweite Set (sogenanntes „ESRS Set 2“) umfasst sektorspezifische Standards. Diese Standards behandeln die spezifischen Eigenheiten bestimmter Branchen und gelten verbindlich für Unternehmen in diesen Sektoren. Es wird erwartet, dass insgesamt 41 Sektoren durch diese Standards abgedeckt werden. Ursprünglich war geplant, dass dieses zweite Set am 30. Juni 2024 veröffentlicht wird. Die Übernahme dieser Standards wurde jedoch um zwei Jahre auf den 30. Juni 2026 verschoben.
Darüber hinaus sollen bis zum 30. Juni 2024 die Standards für kapitalmarktorientierte KMUs veröffentlicht werden. Diese Standards sind zweigeteilt: Zum einen wird es Standards für kapitalmarktorientierte KMUs geben (sogenannte LSME-Standards, für „listed small and medium enterprises“), welche die CSRD zukünftig verpflichtend umsetzen müssen. Zum anderen wird es Standards für KMUs geben, die nicht kapitalmarktorientiert sind und somit nur indirekt von der CSRD betroffen sind (sogenannte VSME-Standards, für „voluntary small and medium enterprises“). Die LSME-und VSME-Standards bieten verkürzte und vereinfachte Richtlinien, maßgeschneidert für (kapitalmarktorientierte) kleine und mittlere Unternehmen.
Abschließend werden Standards für Unternehmen aus Drittländern erwartet. Diese sollten ursprünglich am 30. Juni 2024 erscheinen, die Übernahme wurde jedoch ebenfalls um zwei Jahre auf den 30. Juni 2026 verschoben.
Gemäß Vorgaben der CSRD werden die Standards alle drei Jahre verpflichtend überprüft und gegebenenfalls angepasst. Zwischen der Übernahme eines neuen Standards durch die EU-Kommission und dessen Inkrafttreten liegt ein Mindestzeitraum von 4 Monaten.
Die sektoragnostischen Standards sind gemäß den Vorgaben der CSRD entlang der ESG-Aspekte (Umwelt / Soziales / Governance) strukturiert und umfassen insgesamt zwölf Einzelstandards. Die ersten beiden dieser zwölf Standards sind themenübergreifende Standards (sogenannte "Cross-cutting standards"), die allgemeine Anforderungen (ESRS 1) sowie allgemeine Angaben (ESRS 2) für die Nachhaltigkeitserklärung festlegen. Die verbleibenden zehn Standards werden als themenspezifische Standards (sogenannte "Topical standards") bezeichnet. Diese sind unterteilt in fünf Umweltstandards (ESRS E1-E5), vier Sozialstandards (ESRS S1-S4) und einen Governance-Standard (ESRS G1).
Mit Ausnahme des ESRS 1 beinhalten sämtliche Standards konkrete Angabepflichten (sogenannte „Disclosure Requirements“). Insgesamt umfassen die sektoragnostischen Standards 82 solcher Angabepflichten. Jede dieser Angabepflichten beinhaltet wiederum einen oder mehrere Datenpunkte, die als qualitative oder quantitative Subelemente der Angabepflichten betrachtet werden können. Zusammengenommen über die 82 Angabepflichten hinweg existieren mehr als 1.100 individuelle Datenpunkte, entlang derer zu berichten ist.
Im Gegensatz zu den elf anderen Standards, enthält der ESRS 1 keine spezifischen Angabepunkte. Dieser Standard legt allgemeine Anforderungen zur Erstellung der Nachhaltigkeitserklärung gemäß ESRS fest. Diese Anforderungen umfassen unter anderem das Vorgehen zur Anwendung der doppelten Wesentlichkeit, die Berücksichtigung von Sorgfaltspflichten, die Einbeziehung der Wertschöpfungsketten und Stakeholder sowie Vorgaben zum Aufbau der Nachhaltigkeitserklärung.
Die Struktur der Standards ist durchgehend einheitlich. Jeder Standard umfasst einen Hauptteil, der die Ziele des jeweiligen Standards sowie deren Interaktion mit anderen ESRS erklärt. Im Anschluss enthält dieser Hauptteil die Angabepflichten zusammen mit den entsprechenden Datenpunkten (beziehungsweise den allgemeinen Anforderungen im ESRS 1).
Jeder Standard verfügt neben dem Hauptteil auch über einen Anhang namens "Anwendungsanforderungen". Dieser Anhang enthält spezifische Anforderungen, die bei der Umsetzung der Angabepflichten und Datenpunkte berücksichtigt werden müssen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Definitionen zur Berechnung bestimmter Kennzahlen oder um weitere Erläuterungen zu qualitativen Angaben. Die Definitionen und Erläuterungen in den Anwendungsanforderungen besitzen dieselbe rechtliche Bindungskraft wie der Hauptteil des jeweiligen Standards. Lediglich ESRS 1 und ESRS 2 verfügen zusätzlich zur Anlage mit den Anwendungsanforderungen über weitere Anhänge, die teilweise verbindliche und teilweise unverbindliche Hinweise enthalten.
Die Struktur der Angabepflichten mit ihren Datenpunkten ist ebenfalls durchgehend einheitlich gestaltet. Jede dieser Pflichten ist mit einer Nummerierung und einer Bezeichnung versehen, die der Benennung des jeweiligen Standards folgt. Zum Beispiel werden die Angabepflichten als S1-1 bis S1-17 im ESRS S1 durchnummeriert. Anschließend erfolgt eine Beschreibung des Inhalts und der Zielsetzung der jeweiligen Angabepflicht, bevor abschließend die Datenpunkte für die entsprechende Angabepflicht aufgelistet werden.
Zur Veranschaulichung finden Sie einen Ausschnitt der "Angabepflicht S1-13 – Parameter für Schulungen und Kompetenzen" aus dem "ESRS S1 – Eigene Belegschaft". In diesem Beispiel sind in Zeile 81 der Inhalt, in Zeile 82 das Ziel und ab Zeile 83 die Datenpunkte dieser spezifischen Angabepflicht aufgeführt.
Die ESRS adressieren Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance. Die inhaltlichen Vorgaben der CSRD bestimmen, dass entlang der Angabepflichten und Datenpunkte insbesondere die folgenden Inhalte in den jeweiligen übergreifenden und themenspezifischen ESRS behandelt werden:
Nach der Veröffentlichung des Delegierten Rechtsakts vom 31. Juli 2023 wurden die sektoragnostischen ESRS auch in die 23 Amtssprachen der EU übersetzt. Es ist wichtig anzumerken, dass die deutsche Übersetzung der ESRS einige Übersetzungs- und Formatfehler sowie andere unklare Passagen aufweist, die auf die Übersetzung zurückzuführen sind. Wenn Sie mit diesen Standards arbeiten, wird dringend empfohlen, neben der deutschen auch immer die englische Version zu konsultieren, insbesondere wenn Unklarheiten bestehen.
Die delegierte Verordnung zu den ESRS, die ESRS selbst sowie ein zugehöriges Glossar können auf der Website der EU-Kommission heruntergeladen: https://bit.ly/4a3TBMB